von Tine in Trainingsgedanken am 22. Dezember 2014
Ich habe mir vor kurzem eine Nähmaschine gekauft. Davor habe ich ab und an kleinere Dinge mit der Hand genäht, und vor einer ganzen Weile in der Schule auch mal ein paar Grundstiche gelernt. Abgesehen davon ist das Nähen mit einer Maschine für mich absolutes Neuland. Ich habe weder einen Nähkurs besucht, noch Bücher gelesen oder Videos gesehen auf denen gezeigt wird, wie man korrekt näht.

Pferd berührt Gymnastikball
Ganz ähnlich bin ich vor ein paar Jahren zum Training mit dem Clicker gekommen - ich kannte Pferde, habe auch mal das ein oder andere Leckerli verteilt und gelernt, dass man mit vollen Hafereimern Pferde auf der Weide einfangen kann. Von Lerntheorie, positiver und negativer Verstärkung und anderen Fachbegriffen hatte ich zu der Zeit noch nie gehört.

Die ersten Informationen fand ich im Internet, man braucht also einen Clicker, Leckerlis, und einen Gegenstand den das Pferd berühren kann. Das klang einfach und machbar, und der AHA-Effekt, als es bei meinem Pferd nach wenigen Wiederholungen buchstäblich "Click" gemacht hat, war enorm.

Genauso gefreut habe ich mich, als ich nach dem Studieren der Bedienungsanleitung meine erste Probenaht mit der Nähmaschine produziert habe.


Manch einer wird an dieser Stelle sagen, das reicht doch vollkommen aus. Ich kann meinem Pferd mit Clicker und Futter Dinge beibringen, und ich kann Stoffe mit einer einfachen Naht miteinander verbinden - die Grundfunktion ist also gegeben. Muss man da wirklich noch Bücher lesen, Kurse besuchen, sich weiterbilden?

Nein, muss man natürlich nicht. Aber in meinen Augen verpasst man so auch ganz viel.

Im nächsten Schritt mit meiner Nähmaschine habe ich mich mal durch die unterschiedlichen Einstellungen hindurch probiert und mit beginnender Begeisterung immer filigranere Muster genäht. Beim Clickertraining kamen schwierigere Aufgabenstellungen wie das Hufe geben auf Berührung mit der Gerte hinzu. An diesem Punkt gab es auch die ersten kleineren Schwierigkeiten, und einen Grund, doch noch einmal genauer nachzulesen.

Bis zu diesem Punkt war der Anlass immer eine konkrete Aufgabenstellung, wie z.B. eine aufgetrennte Naht, oder ein junges Pferd dass noch kein Hufe geben kannte. Aber nach einer Weile bekommt man Lust auf mehr, und dann wird es Zeit, im Vornherein zu Planen.

Kissen
Für mein erstes Nähprojekt, einen Kissenbezug, stand ich vor unterschiedlichen Fragen:
  • Welchen Stoff nehme ich?
  • Wie viel Stoff benötige ich?
  • Wie viel Stoffzugabe und an welcher Stelle benötige ich, um das Kissen später auch zusammen nähen zu können?
  • Was nehme ich, um die Öffnung später zu schließen?
  • Wie sieht das Schnittmuster aus?
  • Wo bekomme ich das alles her?
  • Welche Naht verwende ich wo?
Zugegeben, viele der Fragen habe ich aus dem Bauch heraus beantwortet und viel herumprobiert - am Ende herausgekommen ist ein Kissenbezug mit dem ein oder anderen Schönheitsfehler, aber im Grunde erfüllt er seine Funktion.


Im Training entspricht das dem Zeitpunkt, an dem man das erste Mal beginnt sich mit Signalen zu beschäftigen.
  • Möchte ich Wortsignale oder Gesten verwenden?
  • Wähle ich Signale, die auch andere ohne "Bedienungsanleitung" verstehen und anwenden können? Oder etwas neues?
  • Notiere ich die gelernten Übungen und Signale irgendwo?
  • Wie bekomme ich mein Pferd dazu, nach dem Signal auch wirklich die richtige Übung zu zeigen?
Und wenn man dann die ersten Signale trainiert hat ist das ein tolles Gefühl - zumindest ich hätte mir vorher gar nicht zugetraut, selbst so etwas zu trainieren.

Pferd gibt Huf


Foto: Constanze Kölpin

Bis zu diesem Moment hat man dann ja schon das ein oder andere ausprobiert, eventuell auch eine Zeitschrift oder ein Buch mit weiteren Ideen und Anleitungen durchgeblättert. Wieder könnte man sagen "das reicht mir, das ist gut genug".

Spätestens an dieser Stelle treten auch Fragen oder Probleme auf, bei denen man aus dem Bauch heraus nicht mehr weiter kommt. Vielleicht zeigt das Pferd jetzt immer mehr Übungen ungefragt, oder verwechselt sie andauernd. Oder eine Übung wird immer schlechter, obwohl man sie doch schon so oft wiederholt hat. Vielleicht möchte man beim nächsten Nähprojekt nicht mehr die doppelte Menge Stoff kaufen und bezahlen, um dann die Hälfte weg zu schmeißen, oder man versucht sich an etwas komplizierterem wie z.B. einen Schriftzug zu sticken. Oder wie es mir passiert ist, es reißt plötzlich immer der Faden, ohne im ersten Moment ersichtlichen Grund. Vielleicht hat man auch einfach eine Frage, die man "mal so eben" mit dem Befragen der Internetsuchmaschinen so nicht mehr beantwortet bekommt.

"Es gibt Dinge, die wir lernen müssen, bevor wir sie tun können. Und wir lernen sie indem wir sie tun."

~ Aristoteles ~


An dieser Stelle hilft mir der Austausch mit anderen Menschen, die schon mehr Erfahrung haben, und Hinweise geben können, mit denen ich die Lösung finde. Die mich auch mal an die Hand nehmen und Schritt für Schritt erklären. Oder auch einfach die Arbeit in einer Gruppe, in der man sich gemeinsam an kompliziertere Themen heran wagt. Es wird Zeit, die Bauchentscheidungen und das Herumprobieren mit dem Wissen und der Erfahrung anderer zu kombinieren.

Am Anfang mag es sich vielleicht komisch anfühlen Dinge zu tun, die man bisher anders gemacht hat oder sich an fertige Anleitungen zu halten. Aber es ist ein ganz tolles Gefühl irgendwann zu wissen warum das, was man tut, funktioniert, und sich nicht nur darüber zu freuen, dass es das tut. Es ist schön, selber anderen helfen zu können.

Und dann gibt es den magischen Moment in dem man beginnt, dieses Wissen anzuwenden, um gezielt mit kleinen Änderungen das Ergebnis zu beeinflussen. Es macht einen Unterschied ein Verhalten von Anfang an sauber zu trainieren und ein eindeutiges Signal einzuführen - im Gegenzug zu einem Verhalten was erst mal irgendwie trainiert wird und dann immer wieder nachgebessert und korrigiert werden muss. Es macht einen Unterschied wenn man weiß, welcher Stoff mit seinen Eigenschaften zum Projekt passt - im Gegenzug dazu es erst zu nähen und dann festzustellen, dass es doch nicht so ganz passt.

In meinen Augen gibt es keinen Punkt an dem man fertig ist mit Lernen. Und es ist absolut ok an dem ein oder anderen Punkt zu sagen "das reicht mir, das ist gut genug".

Katze mit Geschirr


Dabei ist es vollkommen egal, ob wir vom Tiertraining sprechen, vom Nähen, vom Sport, vom Kochen, vom Fotografieren, vom Malen, vom Meditieren oder Musizieren. Bei allem braucht man mehr oder weniger Technik, und natürlich kann man auch ohne viel Hintergrundwissen Spaß an dem haben, was man tut. Je besser man jedoch die Technik beherrscht, desto faszinierende Facetten wird man entdecken.

Aus diesem Grund möchte ich ein immer besserer Trainer werden. Und hoffe natürlich irgendwann auch etwas Vorzeigbares mit meiner Nähmaschine nähen zu können.
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Über mich

Mensch und Pferdekopf
Ich heiße Christine Dosdall, genannt Tine, geboren 1986 und lebe mit meinen Tieren in Berlin. Wenn ich nicht gerade hinter dicken Büchern verschwunden bin, findet ihr mich im Stall bei meinen Pferden Krümel und Alkmene oder zusammen mit meiner Katze Mucki auf der Couch.

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