von Tine in Pferdeausbildung am 20. November 2015
In diesem Monat ist es 5 Jahre her, dass ich den offiziellen Kaufvertrag für meine Stute Chance (im folgenden einfach "die Krümeline") unterschrieben habe. In dieser Zeit ist einiges passiert und vieles war ganz entscheidend für meinen heutigen Umgang mit Pferden und Training an sich. Deswegen möchte ich euch an dieser Stelle ein bisschen mehr über unsere Geschichte erzählen.

Im ersten Teil geht es darum, wie die Krümeline und ich zusammen gefunden haben.


Die Krümeline wurde, soweit es bekannt ist, im Sommer 2006 geboren und kam als Absetzer kurze Zeit in Einzelhaltung, in der sie allerdings durch alle Zäune ging. Daher zog sie kurze Zeit später (im Winter 2006/2007) erneut um. In ihrem neuen Zuhause gab es allerlei tierische Gesellschaft, pferdige allerdings nicht - dafür aber einen extra ausbruchssicheren Zaun.

Pferdfohlen vor Holzzaun


Im Lauf der nächsten 2,5 Jahre lebte sie dort alleine und unter immer schlechter werdenden Bedingungen, bis sie im Sommer 2009 ein paar hundert Meter weiter bei benachbarten Pferdebesitzern ein neues Zuhause fand. Zu dieser Zeit war sie stark unterernährt, die Hufe waren bis dato unbearbeitet und schon grundlegende Aufgaben wie geführt werden kannte sie nicht.

Unterernährtes Pferd


Liebevoll haben ihre neuen Besitzer sie im folgenden Herbst und Winter aufgepäppelt und im Frühjahr 2010 eine eigene Pflegebeteilung für sie gesucht, damit auch sie einen Menschen "ganz für sich" hat. So habe ich sie kennengelernt. Es war eine, zugegebenermaßen, nicht ganz einfache Kombination, da sie schon mit grundlegenden Dingen wie Halftern, Hufe geben (und Berührungen im Allgemeinen) und geführt werden so ihre Probleme hatte - und ich hatte zu der Zeit zwar einiges an Pferdeerfahrung, aber noch nie ein Jungpferd ausgebildet.

Pferd auf der Weide


Dem Internet und seinen inzwischen zahlreichen Weiterbildungsmöglichkeiten sei Dank habe ich mich in den Tagen nach unserer ersten Begegnung in das Clickertraining eingelesen. Schon damals klang es nach einem in sich schlüssigen und für mich umsetzbaren Weg der Pferdeausbildung. Auch die Besitzer waren einverstanden und so haben wir direkt beim zweiten Besuch mit der Konditionierung und einfachem Target-Training begonnen.

Pferd berührt verschiedene Gegenstände


Im folgenden Sommer haben wir uns mit Hilfe des Clickertrainings einiges erarbeitet. Zum Beispiel hat es zu Beginn in ihr blanke Panik ausgelöst, wenn das Halfter beim Anziehen auf einem Ohr hängen geblieben ist; bei Berührung der Hinterhand hat sie automatisch getreten und jegliche Tierarztbehandlung war ein mehrstündiger Kampf der oft genug in einer abgebrochenen Behandlung endete. Auf Grund der vorherigen Haltung hatte sie auch körperlich einige Probleme, vom Ekzem über Bockhufe und vermutlich auch diversen Verspannungen. Sie hat sich beim Anbinden nicht nur einmal in den Strick gehängt bis dieser gerissen ist, beim Longieren ist sie oft gerannt bis sie nicht mehr konnte, und insbesondere die Anwesenheit von Futter (Futterschüsseln, Heu) haben oft zu zielgerichteten Aggressionen gegen Menschen oder die anderen Pferde geführt. Und wenn sie zum wiederholten Mal das Halfter auf der Weide verloren hat, war man eine ganze Weile damit beschäftigt sie einzufangen - regelmäßig hat sie die Besitzer auch mal außerhalb des Zauns begrüßt.

Im Grunde genommen war sie aber trotz allem immer ein Pferd, dass sich für Menschen und die Mitarbeit interessiert - einen Großteil der Zeit stand sie sich einfach selbst im Weg. Heute weiß ich, dass all diese Reaktionen logische Folgen der jahrelangen Deprivationshaltung (keine Artgenossen, zu wenig Futter, keine Beschäftigungsmöglichkeiten) waren, und vermutlich jede folgende Beschäftigung mehr Reizüberflutung war als alles andere. Oft werde ich gefragt, ob ich glaube, dass sie misshandelt wurde - natürlich weiß ich es nicht genau, aber ich glaube, wenn sie in ihren ersten Lebensjahren Menschenkontakt hatte, dann einen, den bestimmt die Hälfte all unserer Pferde tagtäglich erlebt.

Kennenlernen zwischen Mensch und Pferd


Unabhängig vom Clickertraining habe ich in diesem Sommer auch den Longenkurs (Wege zum Pferd) und Grundlagen des Natural Horsemanship kennengelernt. Die Krümeline ist alle dieser ersten Lernschritte mit mir gegangen und daher sind auch einige der Sachen und Übungen aus dieser Zeit bis heute eher vergiftet. Das ist eine relativ natürliche Reaktion darauf, wenn man unterschiedliche Trainingsansätze zu sehr mischt. Vor allem wenn das Pferd bei ein und derselben Übung nie sicher sein kann, ob es heute Kekse oder die Peitsche gibt.

Führtraining mit Pferd


Im November 2010 haben wir es dann offiziell gemacht, ich habe die Krümeline übernommen und wir sind gemeinsam in einen neuen Stall gezogen. Im Gegenteil zu ihrer bisherigen kleinen 3er-Herde stand sie dort tagsüber in einer größeren Herde auf dem Paddock und hatte nachts eine Box für sich. So eine Haltung birgt viele neue Herausforderungen: plötzlich wurde sie täglich von den unterschiedlichsten Menschen geführt und gefüttert, zum Arbeiten musste man sich ein Stück von den anderen Pferden entfernen und auch die medizinische Versorgung war eine größere Herausforderung, da z.B. Wurmkuren über einen größeren Pferdebestand organisiert werden mussten.

Zu dieser Zeit habe ich verstanden, dass kein Training so wichtig ist, wie der Ansatz einem Pferd das Leben in der "Menschenwelt" so verständlich und umsetzbar wie möglich zu machen - ein globales Trainingsziel, welches wir bis heute verfolgen.

Im zweiten Teil geht es um Ziele, das Anreiten, und warum es immer anders kommt als man denkt.

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Über mich

Mensch und Pferdekopf
Ich heiße Christine Dosdall, genannt Tine, geboren 1986 und lebe mit meinen Tieren in Berlin. Wenn ich nicht gerade hinter dicken Büchern verschwunden bin, findet ihr mich im Stall bei meinen Pferden Krümel und Alkmene oder zusammen mit meiner Katze Mucki auf der Couch.

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