von Tine in Trainingsgedanken am 4. Juli 2014

Was hat das eigentlich auf sich, mit dem Hühnertraining?

Seit ich vor zwei Jahren das erste Mal auf dem Scheuerhof zum Hühnertraining war, und Fotos davon bei Facebook hochgeladen habe, haben mich viele Leute gefragt, was ich da eigentlich mache. Und das ist in der Tat eine gute Frage.

Der Grund warum ich zum ersten Mal zu den Hühnern gefahren bin war eigentlich simpel. Es gibt nur sehr wenige pferdespezifische Kurse oder Ausbildungen dafür, wie man ein Tier auf Basis von positiver Verstärkung ausbildet. Und da ich mich dazu entschlossen hatte, die Krümeline komplett selbst auszubilden, wollte ich natürlich meine Trainerfertigkeiten so weit wie möglich ausbauen. Schon früher bin ich durch Zufall über die sogenannten "Chicken-Camps" gestolpert, dafür aber extra nach Amerika zu fahren, war dann doch etwas außerhalb des Budgets. Und dann habe ich gesehen, dass das auch in Deutschland möglich ist, also habe ich mich kurzerhand angemeldet.

Hühnertraining

Warum Hühner?

Bleibt die Frage, warum ausgerechnet Hühner? Das hat mehrere Gründe:

  • Hühner sind schlau - können Farben und Formen unterscheiden
  • Hühner sind schnell - wie schnell, dass muss man erlebt haben
  • Hühner können dauerhaft fressen - zumindest wenn sie nicht komplett satt sind
  • man hat keine so emotionale Bindung zu Hühnern wie z.B. zu Hunden, Katzen oder Pferden
  • es gibt keine "Hühner-Gurus" die propagieren, dass das Huhn die Herrschaft übernehmen will ;-)
Obwohl Hühner eine der wenigen Tierarten sind, die tatsächlich eine strikte Hackordnung (Dominanz, Rangfolge) haben, erwartet ausgerechnet hier niemand vom Trainer sich "hühnisch" zu verhalten. Sprich, man kann relativ objektiv und emotionslos sich vollkommen den eigenen Trainerfähigkeiten widmen.

Aber was lernt man denn jetzt genau?

Auswahl von Kriterien

Wir Menschen neigen dazu, nach Fehlern zu suchen, und nach Verhalten, dass wir nicht wollen. Im Training ist das ziemlich unpraktisch, sinnvoller wäre es ja dem Tier zu vermitteln, was wir wollen. Ok, soweit ist das noch relativ einfach. Der Teufel liegt hier im Detail, denn oft können wir nur ein fertiges Verhalten benennen "der Hund soll sich auf Kommando hinlegen". Wo soll er sich hinlegen? Wie soll er sich hinlegen (vorne zuerst, hinten zuerst)? Wie soll er liegen? Welche Körperteile darf er bewegen? Soll er sich hinlegen oder liegen bleiben? Welches Signal? usw. Gutes Training beginnt also mit der Definition einer klaren Aufgabenstellung. Dazu gehört natürlich auch erstmal herauszufinden, was das Tier denn z.B. schon kann, und ob es mental/physisch/gesundheitlich in der Lage ist, die Aufgabe wie gewünscht auszuführen.

Timing

Mindestens genauso entscheidend, wie die richtige Auswahl der Kriterien ist das Timing. Egal ob man jetzt mit positiver oder negativer Verstärkung, oder sogar Strafe arbeitet, der Zeitpunkt in dem die Konsequenz auf das Verhalten folgt ist entscheidend dafür, wie das Tier sich in Zukunft verhält. Wieder ein kleines Beispiel. Eine Reiterin macht mit ihrem Pferd einen schönen Ausritt. Nach der Heimkehr und dem Putzen steht das Pferd am Putzplatz und scharrt in freudiger Erwartung der Futterschüssel mit den Hufen. Die Reiterin sagt "Nein" und bringt die Futterschüssel. Welches Verhalten verbindet das Pferd wohl mit dem Futter, den Ausritt, oder das Scharren? Und bedeutet das Nein für das Pferd wohl "hör auf zu Scharren" oder eher "hier kommt deine Futterschüssel"?

Signalkontrolle

Laut Definition bedeutet Signalkontrolle:
  • Das Verhalten wird nach dem Signal immer prompt ausgeführt.
  • Das Verhalten wird in Abwesenheit des Signals nicht ausgeführt.
  • Auf das Signal hin wird kein anderes Verhalten gezeigt.
Wie man sieht ist eine vollständige Signalkontrolle im normalen Alltag nicht unbedingt notwendig oder sinnvoll - ein Hund z.B. darf sich ja z.B. auch hinlegen ohne dass das Kommando "Platz" gegeben wurde. Aber wie sieht es mit z.B. mit einem Hütehund aus? Oder mit dem Elefanten im Zoo, der den Fuß zur Pediküre hochhalten soll, dem Pferd, das Steigen gelernt hat? Hier ist es schon zur eigenen Sicherheit wichtig, das Verhalten gut unter Signalkontrolle zu bringen, um niemanden zu gefährden.

Verhaltensketten

Sogut wie jedes Verhalten ist in Wirklichkeit eine Verhaltenskette. Ein Hund der einen Ball apportiert muss zum Ball laufen, das Maul öffnen, den Ball aufnehmen, umdrehen, mit Ball im Mund zum Menschen laufen, das Maul wieder öffnen und den Ball hergeben. Jeder Punkt für sich ist ein einzelnes Trainingskriterium das separat geübt werden kann, aber wie setzt man nun diese einzelnen Bausteine zusammen? Hier wird es interessant, dass oft geübte und belohnte Verhalten selbst zur Belohnung werden. Hat der Hund also schon oft den Ball gegen ein Leckerli eingetauscht, ist die Tatsache den Ball zum Menschen zu bringen eine Belohnung für ihn. Also wird er Verhalten was dazu führt den Ball zum Menschen bringen zu können (Ball suchen und aufnehmen) öfter zeigen usw. Ein kleines Beispiel das sicherlich auch jeder kennt: man dreht den Autoschlüssel um, der Motor springt an (Belohnung fürs Schlüssel umdrehen), und ist gleichzeitig auch das Signal dafür, jetzt einen Gang einzulegen.

Fehlerfreies Lernen

Um schnell, effektiv und frustfrei (für Tier & Trainer) zu trainieren ist es wichtig, die Trainingsschritte so zu wählen, dass das Tier gar nicht erst Fehler macht. Dazu gehört eine sinnvolle Gestaltung der Trainingsumgebung (keine ablenkenden Gegenstände herumliegen lassen, den Zielgegenstand im Sichtfeld des Tieres positionieren, Geräusche / optische Signale so wählen, dass das Tier sie wahrnehmen kann), aufeinander aufbauende Trainingsschritte (am besten so gewählt, dass das Tier garnicht merkt dass sich die Schwierigkeit erhöht) uvm. Verhalten hat nämlich die Eigenschaft unter Stress wieder zum Anfangszustand zusammenzufallen, hat man also viele kleine Fehler mittrainiert (auch wenn das Verhalten später fehlerfrei ausgeführt wird!) ist die Gefahr groß, dass es unter Stress nicht mehr abrufbar ist. Achtet man jedoch von Anfang an auf fehlerfreies Lernen, bekommt man sehr zuverlässiges Verhalten.

Umgang mit unerwünschtem Verhalten

Hatte das Tier eine Chance das richtige Verhalten zu zeigen? Gab es ein verständliches Signal? Waren die Trainingsschritte klein genug? Stimmte das Timing der Belohnung? Ist etwas an der Umgebung anders? Gibt es gesundheitliche Probleme? Was kann ich an meinem eigenen Verhalten ändern? Kein Tier versucht uns absichtlich zu ärgern oder an der Nase herumzuführen, unerwünschtes Verhalten resultiert also meistens aus Kommunikationsproblemen. Dennoch tritt es auf, was macht man also? Hier gibt es unterschiedliche Mittel, von Ignorieren über niederwertigere Belohnung, das Training eines Alternativverhaltens (wer die Hufe auf dem Boden hat, kann nicht mit den Hufen scharren) uvm.

Und wie sieht das jetzt genau aus?


Anmerkung: die Hühner verbringen nur die Trainingszeit in den Käfigen und wohnen ansonsten draußen auf dem Bauernhof

Fazit

Training ist ein Handwerk, und die Hühner helfen uns dabei, immer mehr Trainingswerkzeuge zu unserer Werkzeugkiste hinzuzufügen. Es geht nicht darum, dass die Hühner etwas Bestimmtes Lernen, sondern darum, ein immer besserer Trainer zu werden.
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Über mich

Mensch und Pferdekopf
Ich heiße Christine Dosdall, genannt Tine, geboren 1986 und lebe mit meinen Tieren in Berlin. Wenn ich nicht gerade hinter dicken Büchern verschwunden bin, findet ihr mich im Stall bei meinen Pferden Krümel und Alkmene oder zusammen mit meiner Katze Mucki auf der Couch.

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