Bis zum letzten Moment habe ich dieses Jahr überlegt, ob ich zum diesjährigen Kurs mit Alexandra Kurland auf dem wunderschönen Sonnenhof im Hunsrück fahren soll, oder nicht.
Auf Grund einiger glücklicher Fügungen und Zufälle habe ich dann tatsächlich die Chance bekommen, einen der sehr raren Teilnehmerplätze mit Pferd zu erben, und im Nachhinein kann ich nur sagen, es war eines der besten Seminare in den letzten Jahren. Es hat sich also absolut gelohnt.
Im folgenden Artikel möchte ich euch einen kleinen Einblick geben, auch wenn es unmöglich ist, die Komplexität des Erlebten in Worte zu fassen.
Das Kurs-Erlebnis formen
Am ersten Abend trafen wir alle nach und nach auf dem Sonnenhof von Tina Pfeil (
Reiterhof Sonnenhof) ein, den die meisten von uns schon vom letzten Kurs kannten. Wie es bei Kursen mit Alexandra so üblich ist, beginnt der erste Abend mit einer ausführlichen Vorstellungsrunde.
Bei dieser haben alle Teilnehmer, ganz gleich ob mit oder ohne Pferd, die Möglichkeit, aktiv an der Kursgestaltung teilzunehmen.
"The first evening is your opportunity, to shape your own clinic-experience."
(Der erste Abend ist eure Gelegenheit, euer eigenes Kurs-Erlebnis zu gestalten.)
~ Alexandra Kurland ~
Für viele von uns ist das ja oft ein ganz ungewohntes Konzept, wenn es bei einem Seminar kein vorgegebenes Thema oder einen starren Zeitplan gibt. Manchmal artet die Vorstellungsrunde daher eher in ein gemütliches Geschichten erzählen aus, was aber dieses Jahr nicht der Fall war, da bis auf wenige Ausnahmen alle Teilnehmer bereits den ein oder anderen Kurs mit Alexandra besucht hatten.
Im Lauf der Vorstellungsrunde wurde schnell klar, dass einer der Schwerpunkte das Thema (Mikro-)Balance werden würde, sowohl für die Menschen, als auch die Pferde. Bereits im letzten Jahr hatten wir viele Feldenkrais-Ansätze ausprobiert, wie zum Beispiel das Erspüren, wo im Körper eine Bewegung beginnt.
Zum selber Fühlen
Dazu eine kleine Übung für euch am PC.
Setzt euch doch einmal auf einen Stuhl oder gerade auf das Sofa, aufgerichtet und mit beiden Füßen am Boden. Beginnt, den rechten Fuß anzuheben, und zwar so, dass die Zehen weiterhin auf dem Boden bleiben, und die Ferse sich in die Luft bewegt.
Spürt in euch hinein, wo beginnt diese Bewegung? In eurem Fuß? In den Zehen, der Ferse, dem Unterschenkel, an einem anderen Ort? Was könnt ihr fühlen, wenn ihr den Ursprung der Bewegung in eurem Körper verfolgt?
- Probiert es am besten aus, bevor ihr weiter lest! -
Nun wiederholt die Bewegung, und versucht dieses Mal, sie so klein wie möglich zu machen. Spürt erneut in euch hinein, was fühlt ihr, wo beginnt die Bewegung? Und könnt ihr sie jetzt noch genauso ausführen, wie beim ersten Versuch?
Wiederholt das Ganze mit dem linken Fuß. Wie fühlt sich das an? Ist der Ursprung der Hebebewegung derselbe?
Falls ihr jetzt Lust bekommen habt, könnt ihr auch einmal aufstehen und die Übung im Stand durchführen. Wie fühlt sich das an? Fühlt ihr euch auf einem Bein stabiler als auf dem anderen? Welchen Unterschied macht es, wenn ihr große, oder kleine, kaum merkliche, Bewegungen macht?
Beobachten, ohne zu Bewerten
Der zweite Tag begann mit dem
Sammeln der Daten.
Dazu zeigte jedes Pferd-Mensch-Paar ein wenig davon, woran es aktuell arbeitet und diejenigen, die mit einem Pferd vom Hof arbeiten durften, konnten ihren Kurspartner erst einmal in Ruhe kennenlernen.
Ich selbst hatte die Ehre mit Djaszlo zu arbeiten, einem Shagya-Araber in den Mittzwanzigern, der bereits im letzten Jahr die Grundlagen des Clickertrainings und der Kurland-Arbeit kennenlernen durfte.
Bereits in den ersten Runden merkte man ihm an, dass die Gelenke schon etwas steifer sind, es ihm sehr schwer fällt, geschlossen oder ausbalanciert zu stehen, aber auch, dass er sich sehr auf die Arbeit mit den herumliegenden Matten freut *scharr* und dass er sich immer noch an die grundlegenden Futtermanieren erinnert.
Für uns wurde also das Arbeiten am Pylonenkreis mit vielen Matten zum Thema, um ihm so nach und nach zu helfen, sich besser ausbalancieren zu können. Der Rest des Tages bestand aus viel gutem Essen und einer interessanten Gesprächsrunde, in der die Übungen für die einzelnen Pferde besprochen, und die Erkenntnisse der IST-Analyse besprochen wurden.
Foto: Michaela Hempen
Ruhig wartet Djaszlo, während wir Menschen die nächste Übung besprechen (Grown-ups are talking).
Wer fein sein will, muss fühlen
Der dritte Tag begann dann mit den lang ersehnten
Körperübungen für die Menschen.
Dabei waren bekannte Elemente wie ein ausbalancierter Stand, bei dem der Körper so ausgerichtet wird, dass es nur wenig Muskelkraft benötigt, sondern sich die Balance aus einem Ausrichten des Skellets ergibt.
Diese Übungen sind nicht neu, aber immer wieder wichtig, da sie die Basis für die weitere Arbeit sind. Aufbauend auf die letzten Jahre war es auch sehr interessant zu beobachten, wie viel intuitiver man diese Bewegungen inzwischen ausführen konnte.
Man konnte sozusagen nicht mehr "un-fühlen", was man einmal gefühlt hat.
Micro-Riding
Im nächsten Schritt ging es dann an die Einführung in das
Micro-Riding.
Ein zunächst ungewöhnlicher Begriff für etwas, dass man komplett ohne Pferd und ohne offensichtliche Bewegung macht, und für alle von uns ein neues Thema. Ganz grob beschrieben geht es darum, sich bestimmte Bewegungen im Körper nur vorzustellen, während der Trainingspartner Feedback darüber gibt, sobald er die Bewegung fühlt.
Ein sehr eindrückliches Erlebnis zu fühlen, wie stark so eine Bewegung sich anfühlt, während der Partner nur an etwas denkt. Für mich war dieses Erlebnis einer der Schlüsselmomente im Kurs, zu erleben, auf was für einer feinen Basis wir mit unseren Pferden kommunizieren könnten.
Was das Micro-Riding für mich an dieser Stelle ganz besonders gemacht hat, war der konsequente Einsatz des Markersignals von meinem Trainingspartner.
Hatte ich am Anfang noch gar kein Gespür dafür, was mein Körper eigentlich macht, wenn es klickt - immerhin habe ich ja zum Beispiel nur an mein Schulterblatt gedacht - konnte ich so nach sehr kurzer Zeit klar unterscheiden, an welchem Punkt meines Körpers ich eine Bewegung fühle.
Dieser Übergang von 'mein Körper folgt der Aufgabe' und 'ich kann
spüren, wie mein Körper der Aufgabe folgt' war ein großes Aha-Erlebnis. Ohne das Feedback von außen hätte ich diesen Unterschied wohl nicht erkannt, und ich denke, unseren Pferden geht es sehr oft genauso.
Das Pferd fragen
Mit Djaszlo arbeitete ich in den folgenden Tagen und Einheiten genau an diesem Thema.
Wie fein wird unsere Kommunikation, wenn ich so tief in mich hinein spüre und die Bewegung initiiere? Genauso wie die Krümeline ist er nämlich einfach nicht los gegangen, wenn ich selbst blockiert war, wozu ich mit einem Hohlkreuz und durchgedrückten Knien gerne neige.
Zunächst am Strick, dann frei, und in der letzten Einheit wieder am Strick - denn es stellte sich heraus, was ich bereits ahnte: mein eigenes Blockieren wurde maßgeblich davon beeinflusst, ob ich den Strick in den Händen hielt oder nicht.
Auch ich bin schließlich ein Cross-Over-Lerner, und, auch wenn ich es inzwischen anders weiß und sehe, gerät mein Körper trotz allem sehr schnell in den 'ich mache, dass du das tust' Modus.
"As long as you stick with the 'make it happen' energy, your horse will respond with just the tiniest bit of hesitation and reluctance."
(Solange du im 'ich mache, dass es passiert' Modus bist, wird dein Pferd mit einem Hauch von Zögern oder Abwehr reagieren.)
~ Alexandra Kurland ~
Als wir diesen Knoten lösen konnten, wurde die Kommunikation mit Djaszlo sehr fein.
Foto: Michaela Hempen
Geschlossenes Stehen ist für Djaszlo
eine große Leistung, und das
Ergebnis kleinschrittiger Vorarbeit.
Oft reagierte er auf meine Bewegung schon, bevor ich selbst dafür bereit war. Ich musste mir große Mühe geben, seine tolle Reaktion entsprechend zu würdigen, und ihn nicht durch meine eigene verzögerte Reaktion zu einem Fehler werden zu lassen - und ihn so wieder abzustumpfen.
Mit dieser Basis konnten wir dann fast spielerisch und fließend in die Seitengänge, vor allem das Schultern verschieben - übergehen, ein wunderschönes Gefühl.
Am Ende der letzten Einheiten war das Scharren auf den Matten von alleine verschwunden, Djaszlo konnte immer öfter komplett geschlossen stehen, und auch seine komplette Ausstrahlung hatte sich verändert. Als er am letzten Tag auf dem Paddock zurück zu 'seiner' Stute und ihrem Fohlen schwebte, sah er um einiges jünger und beweglicher aus, als am ersten Tag.
Fazit
Für mich war dieser Kurs sehr wertvoll, denn mit Djaszlo durfte ich mit einem Pferd arbeiten, dass mir mit seiner ruhigen Art die Gelegenheit und die Zeit gab, wirklich in mich hinein zu fühlen und auszuprobieren.
Von Alexandra erhielt ich ein großes Lob, als sie mich einen großen Teil der Zeit einfach frei mit ihm arbeiten ließ - alle benötigten Anregungen hatte sie mir bereits am ersten Tag gegeben.
Ohne viele Unterbrechungen von außen konnte ich so mit Djaszlo in einem kompletten Flow-Zustand arbeiten, etwas, für das im Alltag leider oft viel zu wenig Zeit bleibt. Nicht nur für uns, sondern auch für unsere Pferde.
Außerdem war der Kurs der beste Beweis dafür, dass man auch in Gegenwart von Click und Futter sehr fein und leise arbeiten kann, angelegte Ohren, Futterstress, überdrehte Pferde und wilde Bewegungen müssen kein Teil des Clickertrainings sein.
Man kann auch eine halbe Stunde auf der Stelle stehen und Mikro-Bewegungen erspüren und verstärken, ohne sich oder das Pferd dabei zu langweilen.
Der beste Beweis dafür war, dass keines der Pferde die Halle freiwillig verlassen wollte, was jedes von ihnen auf sehr charmante Weise umgesetzt hat. Ich freue mich sehr darauf, im nächsten Jahr wieder teilzunehmen, und bin sehr gespannt, wieviel feineres Spüren noch möglich ist.
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